Markus Gull

Was wusste bereits David Ogilvy über die Generation Y?

Eine Frage, die in den Marketing- und Werbestuben häufig gestellt wird, ist: „Was können wir über Millennials herausfinden, damit wir ihnen unsere Produkte besser verkaufen können?” – Ich habe darauf eine einfache Antwort: Millennials hassen Marken, die ihnen etwas verkaufen wollen.

Und darin unterscheidet sich die begehrte Generation Y überhaupt nicht von der Generation Z oder der Generation X oder von sonst jemandem. Die Ys sind nur dank der Gnade der gut getimeten Geburt als Digital Natives die erste Generation, die sich so richtig wehren kann, weil ihnen der gute Onkel Tim Berners Lee am 6. August 1991 ein wunderbares Geschenk machte, als er die erste Website online schaltete.

Was das bedeutete wusste damals naturgemäß niemand. Wie auch, man konnte ja weder Siri noch Alexa fragen. Und googeln auch nicht, nicht einmal auf Yahoo.

Genau genommen wusste jeder längst was Sache ist, denn das wurde bereits in den goldenen 60ern, als man Werbung noch Reklame nannte, von zwei Mitgliedern der Generation Mad Man aufgeschrieben. David Ogilvy brachte die schöne Erkenntnis: „The customer is not a moron. She’s your wife.”, und Howard L. Gossage teilte den Satz: „Als Mensch, anstatt als Verbraucher angesprochen, sind die Leute sogar imstande zu kaufen.”

Im Westen nach wie vor nichts Neues, also.

 

Generation Y
Auch, wenn Werbung davon lebt, immer Neues zu erfinden, würde sie wesentlich besser leben, wenn sie nicht alle weisen Worte ihrer Gründerväter vergisst, wie zum Beispiel jene von David Ogilvy: „The customer is not a moron. She’s your wife.”

 

Neu, war das 1991 nicht, aber wie man an den unzähligen Push-Push-Push-Schrei-mich-bei-jeder-Gelegenheit-mit-Kauf-mich!-an-Kampagnen sieht, bis heute nicht in der Werber-Welt angekommen. Was allerdings neu und täglich neuer, weil aktueller und akuter wird, ist, dass sich die Menschen in Scharen von diesen Praktiken in Schutz bringen.

Es war einmal der Mensch. 

Kürzlich senkte der weltweit agierende Werberiese WPP (dem auch die Agentur Ogilvy längst gehört) seine Umsatzerwartungen. Und eine Erhebung über die beliebtesten Berufsstände in Deutschland ergab, dass es die Werber als einzige schafften, übers Jahr unbeliebter zu werden. Sie reihten sich im Beliebtheits-Ranking auf dem vorletzten Platz ein, vor den Versicherungsvertreten. Beides Berufsstände die traditionell nichts auslassen, um ihrem Klischee gerecht zu werden: Kauf mich!!!

Generation Y

Man kann es fast als Fortsetzung der oben zitierten Gedanken verstehen, was von den den US-Amerikanern Rick Levine, Christopher Locke, Doc Searls und David Weinberger im Cluetrain Manifesto beschrieben wurde: „We are not seats or eyeballs or end users or consumers. We are human beings and our reach exceeds your grasp. Deal with it.“

Kommen wir endlich ins Gespräch?

Das Cluetrain Manifesto  definierte 1999 – und 2015 in einem Update als New Clues – das Verhältnis von Unternehmen und ihren Kunden im Zeitalter des Internets. Hier ein signifikanter Abriss über den Inhalt der 95 Thesen:

A powerful global conversation has begun. Through the Internet, people are discovering and inventing new ways to share relevant knowledge with blinding speed. As a direct result, markets are getting smarter, …and getting smarter faster than most companies.

These markets are conversations. Their members communicate in language that is natural, open, honest, direct, funny and often shocking. Whether explaining or complaining, joking or serious, the human voice is unmistakably genuine. It can’t be faked.

Most corporations, on the other hand, only know how to talk in the soothing, humorless monotone of the mission statement, marketing brochure, and your-call-is-important-to-us busy signal. Same old tone, same old lies. No wonder networked markets have no respect for companies unable or unwilling to speak as they do.

But learning to speak in a human voice is not some trick, nor will corporations convince us they are human with lip service about „listening to customers.“ They will only sound human when they empower real human beings to speak on their behalf.

While many such people already work for companies today, most companies ignore their ability to deliver genuine knowledge, opting instead to crank out sterile happytalk that insults the intelligence of markets literally too smart to buy it.

However, employees are getting hyperlinked even as markets are. Companies need to listen carefully to both. Mostly, they need to get out of the way so intranetworked employees can converse directly with internetworked markets.

Corporate firewalls have kept smart employees in and smart markets out. It’s going to cause real pain to tear those walls down. But the result will be a new kind of conversation. And it will be the most exciting conversation business has ever engaged in.

Was für die die alterdümmlichen Werbungmacher als Ende der Welt erscheinen mag, ist tatsächlich die Beschreibung eines Paradieses für alle jene Marken, Unternehmen und Organisationen, die es mit ihrem Publikum ernst meinen und verstanden haben, wo ihre Chancen und ihre Verantwortung liegen. Bereits in den ersten sechs Cluetrain-Thesen:

  1. Markets are conversations.
  2. Markets consist of human beings, not demographic sectors.
  3. Conversations among human beings sound human. They are conducted in a human voice.
  4. Whether delivering information, opinions, perspectives, dissenting arguments or humorous asides, the human voice is typically open, natural, uncontrived.
  5. People recognize each other as such from the sound of this voice.
  6. The Internet is enabling conversations among human beings that were simply not possible in the era of mass media.

Storys für die Generation Why.

Es ist ganz einfach: Wenn wir als Marketing-Kommunikatoren mit unserem Publikum ins Gespräch kommen, an ihrem Gespräch teilnehmen, es anstoßen, oder interessante Beiträge dazu liefern, dann können wir im positivsten Sinne, selbstverständlicher und nützlicher Teil ihres Lebens sein.

Dann haben wir Bedeutung, weil wir zwar immer noch uneingeladen zur Party kommen, aber etwas mitbringen, was jeder mag und braucht. Was das ist? Das ist für jede Branche, jedes Unternehmen und jede Marke etwas Anderes, aber für alle dasselbe: etwas Sinn-volles. Und wenn wir das gut machen, werden wir zur nächsten Party sogar eingeladen.

Wir Menschen suchen in allem was wir tun einen Sinn, auch in den kleinen, den scheinbar unbedeutenden Dingen. Meistens sogar unterbewusst. Denn über den Sinn erklären wir uns die Welt und unser eigenes Leben.  So finden wir heraus, wer wir sind.

Die Evolution hat uns dafür in der Zeit des – von einigen noch nicht ausreichend vollzogenen – Wandels vom Neandertaler zum Homo Sapiens ein wunderbares Werkzeug gegeben: Story. Unsere Fähigkeit, als Homo Narrans Geschichten zu finden, zu erfinden und zu teilen. Die Bausteine dafür sind unsere Werte. So entsteht Sinn.

Jeder von uns kann Story, jeder von uns braucht Story. Das ist substanzieller Teil unseres Menschseins. Wir bauen uns Stories, unaufhörlich, Tag und Nacht. Was hast du heute Nacht geträumt? Ich hab’s vermutet: eine Story. Wirres Zeug? Du fragst dich nach dem Sinn? Nach dem Sinn, nach dem Warum? – Kein Wunder, denn wir sind die alterslose Generation WHY …

Die fetten Jahre sind nicht vorbei.

Für alle, die angesichts sinkender Prognosen für die Werbeindustrie an allem verzweifeln, was uns, seit Procter & Gamble in den 1830ern Marketing erfand, heilig, lieb & teuer war, sei hier noch einmal Trost gespendet. Die fetten Jahre sind nicht vorbei. Das Fett kommt nur anders daher, in Form von höchst gesunden ungesättigten Fettsäuren voll Nährstoff für die Phantasievollen.

Generation Y
Eines hatte die Generation Mad Man mit der Generation Why definitiv gemeinsam: Manchmal gewinnst du, und manchmal lernst du. Und irgendwann verstehst du, dass der Lernwert in Wahrheit der größte Gewinn war.

 

Die tröstlichen Worte kommen aus Don Drapers Munde: „There will be fat years, and there will be lean years, but it is going to rain.”

Wer bin ich, diesem noch etwas hinzuzufügen? – Okay, vielleicht noch mein Lieblings-Zitat aus der Lernkartei meiner Großmutter, der alten Story Dudette: „No Story. No Glory.”

 

 

Bildhinweise:
David Ogilvy: Ogilvy & Mather, all rights reserved
Mad Men Season 6 In Care Of – John Hamm Don Draper And His Fall >> Zennie Abraham >> Flickr >> Lizenz

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