Markus Gull

Lesebefehl für Weihnachten. Damit’s nicht fad wird unterm Weihnachtsbaum

Gestern nahm ich wieder mal eines meiner Notizbücher zur Hand, jenes mit den Erledigungslisten, und machte mich über die Liste jener Menschen her, die ein Weihnachtsgeschenk bekommen sollen. Das wird mit jedem Jahr schwieriger.

Geht’s dir auch so?

Von den beiden weltbewegenden Fragen „Was wünscht Du Dir zu Weihnachten?” und „Was schenke ich zu Weihnachten?” bleibt nämlich als Antwort meist nur das große, fette Fragezeichen zurück.

Was könnte sie oder er brauchen? Schenkt man überhaupt etwas, das jemand braucht? Denn wie sagte Mia (Heike Makatsch) in „Love … Actually”, einem meiner Lieblingsfilme des großartigen Drehbuchautors und Regisseurs Richard Curtis: „I don’t want something I need. I want something I want – something pretty.”

Aber jeder hat doch in Wahrheit schon alles, was er braucht und auch, was er mag, oder?

Ja, wir leben in einer Zuvielisation. Das erkennt man unter anderem daran, dass viele Menschen Geld ausgeben, das sie nicht haben, um Sachen zu kaufen, die sie nicht brauchen, damit sie Leute beeindrucken, die sie nicht mögen.
Beim Schenken gilt das sinngemäß. Ich korrigiere: unsinngemäß.

Meine Lösung, die ich also seit vielen Jahren anwende, ist das Schenken von Büchern, denn Bücher sind pure Inspiration, und davon kann niemand genug haben.

Wo verstecken sich Leseratten?

Wer liest eigentlich noch? Wer liest eigentlich noch Bücher?

Ich weiß schon, es werden immer weniger Bücher gekauft und viel mehr gekauft als gelesen, doch ich behaupte, dass Bücher sogar durch ihre Anwesenheit inspirieren, ohne dass man sie liest.

Geh mal in eine richtige Buchhandlung, die von Leseratten geführt und bevölkert ist und lenke deine Aufmerksamkeit auf dieses Phänomen. Du wirst es – wieder – erleben.

In den Jahren, in denen ich viel Zeit in Los Angeles verbrachte, wohnte ich in L.A.-untypischer Gehnähe der wunderbaren Buchhandlung Book Soup am Sunset Strip.   

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Jeder, der schreibt, weiß, dass jeder der schreibt, unzählige Gründe kennt, nicht zu schreiben, wie Steven Pressfield in „The War of Art” hinlänglich und erhellend ausführt. Der beste Platz, um nicht zu schreiben, ist zweifellos der Book Soup Bookstore. Denn du schnüffelst eine Stunde zwischen den Regalen, knabberst in den Büchern und gehst inspiriert und mit dem unbändigen Wunsch hinaus, endlich wieder an deinen Tisch zu kommen und endlich wieder, sofort und jetzt zu schreiben. Dass du zuhause dann zuerst mal deine CD-Sammlung neu sortierst und nicht schreibst, versteht sich von selbst. Mehr dazu weiß, wie gesagt, Steven Pressfield.

In einem Raum mit Büchern passiert etwas Anderes, etwas Besseres, als in einem Raum ohne Bücher. Ich schwöre es. Ein, wenn ich mich recht erinnere, was mir eher selten gelingt, indisches Sprichwort sagt: „Bücher sind die Seele eines Raumes.” Das stimmt.

Ich bekenne: Wenn ich zu jemanden nachhause komme und keine Bücher sehe, erregt das mein Misstrauen. Der Inhalt des Bücherregals eines Menschen sagt viel über ihn aus.

Deshalb verstehe ich nicht, wie es Menschen übers Herz bringen, Bücher wegzuwerfen. Vermutlich haben sie gar kein Herz. Jedenfalls habe sie keine Bücher und ihre Räume keine Seele.

Ein von mir sehr geschätzter Mann, hoch intelligent und hoch sensibel, verschenkt tatsächlich jedes Buch, das er gelesen hat. Er besitzt kein Buch, außer die vielen, die er selbst geschrieben hat. Verrückt, oder?

Ein Buch ist ein Lebewesen – besonders als Geschenk zu Weihnachten.

Ich verschenke auch Bücher die ich gelesen habe, aber nicht das Buch, das ich gelesen habe. Das hat meistens von mir handgefertigte Eselsohren, oft Unterstreichungen, und Notizen, die niemand – mich eingeschlossen – jemals wieder dechiffrieren kann. Sie sind jene Kapitel meiner Biografie, die ich nicht selbst geschrieben habe. Die gebe ich nicht her.

Es geht bei Büchern eben auch um das Dingliche, beim Bücherkauf um das Entdecken. Das sage ich als großer Freund der digitalen Freudenspender und bekennender Kindle–Evangelist der ersten Stunde. Mittlerweile bin ich Konvertit im Tempel des Blätterns.

Ein Buch liest du anders, liest du besser, als ein Digibook. Dabei geht’s nicht um praktisch, sondern um sinnlich. Bücher sind Lebewesen, keine Datensätze. Das ist wie beim Schreiben mit der Hand.

Suche nicht, sondern werde gefunden. Die besten Bücher für Weihnachten.

Mein Vater sagte einmal: „Die richtige Wohnung findest Du nicht, sie findet Dich.” Ich denke, bei Büchern ist das genauso. Denn bei aller Hochachtung vor den meisterlichen Amazon-Algorithmen, für Kaufempfehlungen sind die besten Entdeckungen ausnahmslos jene, die genauso geschahen: Ein Buch hat mich gefunden. Damit sind wir wieder in der Buchhandlung, denn nur an diesen magischen Orten können derlei Begegnungen geschehen.

Oder unterm Weihnachtsbaum, wenn dich jemand mit einem Buch beschenkt, das ihm am Herzen liegt und er es dir deshalb an das deine legt.

Das meistverkaufte Buch aller Zeiten ist nach wie vor die Bibel (sorry, Harry Potter) und in der steht zu lesen „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Du sollst dir also selbst auch etwas zu Weihnachten schenken.

Welche Bücher ich zu Weihnachten verschenke, und dir damit ans Herz lege, sind zum Beispiel diese:

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Jessica Brody: Save the Cat writes a Novel

Der allzu früh verstorbene, wunderbare Blake Snyder schuf mit der dreiteiligen Buchserie samt dazugehöriger Software unter dem Titel „Save the Cat” ein großartiges Werkzeugset für Drehbuchautoren, die im Hollywood Studio System arbeiten. Filme in diesem System kennzeichnet unter anderem ihre sehr klare, fast formelhafte dramaturgische Struktur, die sich ein wenig an die Heldenreise nach Joseph Campbell anlehnt und im weiteren Sinne überall zu finden ist, von Aristoteles bis Richard Curtis, nur eben nicht immer in dieser formal engen Struktur.

Für alle, die in der Marketing-Kommunikation arbeiten ist diese Methode, die in so genannten Beat Sheets skizziert wird, eine große Hilfe für die eigenen Geschichten. Egal, ob du eine Präsentation vorbereitest oder einen Vortrag, ob du einen Werbespot schreibst oder einen Unternehmens-Film, oder ob du eine Rede oder Ähnliches schreibst: die Struktur einer Erzählung ist prinzipiell immer gleich. Ich verwende das System selbst sehr gerne als Basis, jedenfalls für den Entwurf der Grundstruktur, als Skelett. Dann hänge ich die Story-Muskeln ein.

Jessica Brody, eine erfolgreiche Autorin von Young Adult Novels und Lehrerin für Creative Writing hat dieses System nun vom Drehbuch zum Roman transferiert. „Save the Cat” hat übrigens auch einen Podcast. 

Für alle, die sich für das Handwerk des Schreibens interessieren, oder für Film und Literatur und was dahinter steckt, für alle, die ihren eigenen Roman in der Schublade haben oder auf der Liste der Neujahrsvorsätze, ist dieses Buch eine leicht verständliche und gut anwendbare Bedienungsanleitung voller guter Schreib-Tricks. Save the Cat, der Titel des Buches, ist so einer.

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David Litt: Thanks, Obama

Ich werde oft gefragt, wie man Reden schreibt, wie ich meine Vorträge vorbereite und was man darüber lesen kann. „Thanks, Obama“ ist eine Empfehlung, die ich immer wieder gebe.

Vor langer Zeit, als die Artikulationsfähigkeit von US-Präsidenten mehr Raum füllen konnte als Twitter zur Verfügung stellt, saß einer der bemerkenswertesten Redner unserer Zeit im Oval Office: Barack Obama. Er ist nicht nur ein höchst begabter Redner, sondern auch ein talentierter Autor, dennoch schrieb er seine Reden nicht selbst. Das tat häufig David Litt, der sofort nach dem College im Weißen Haus anheuerte. „Thanks Obama” sind die Memoiren über seine Zeit als Redenschreiber des POTUS mit dem Spezialgebiet Humor. David Litt schrieb über unterschiedlichste Themen, von Healthcare bis zu Witzen beim Correspondents’ Dinner. Das gibt nicht nur Einblick hinter die Kulissen in Form von Erinnerungen und Anekdoten, sondern auch eine ganze Menge an nützlicher Information für alle, die Reden, Vorträge und Präsentationen schreiben wollen und reichlich Erkenntnisse über die Macht des Wortes.

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Gerald Hüther: Würde

Der renommierte Hirnforscher Prof. Gerald Hüther ist mit seinen Büchern und Vorträgen weit ins Land der Populärwissenschaft vorgedrungen und fasziniert seit Jahren viele Menschen mit seinen Erkenntnissen. Wenn du die Gelegenheit hast ihn live zu erleben, solltest du sie in jedem Fall nützen.

Sein neuestes Buch „Würde” berührt Storytelling am Rande, aber nur scheinbar am Rande. Denn in einer respektvollen Kommunikation und einem verantwortungsvollen Umgang mit allem, was Story kann, ist die Würde des Gegenübers eine ganz wesentliche und schützenswerte Dimension. Das gilt ganz besonders in unserer Zeit, in der NLP-Kaspern, Verführer und maulheldenhafte Schlaucherln in ihren Maßanzügen aus Halbseide die politischen Bühnen dieser Welt mit ihren Narrativen, Framings und als Politik getarnten Selbstoptimierungs-Kampagnen erobern. Was fehlt ist Empathie und eben Würde. Der wunderbare Gerald Hüther erklärt, wieso und was uns als Einzelne und als Gesellschaft stark macht.
Wer dieses Buch liest, erfährt und versteht eine Menge über sich selbst und sieht danach vieles, was täglich abläuft, mit hellerem Blick. Zum Beispiel, wie schnell man jemanden oft unterbewusst zum Objekt herabwürdigt und wie schnell es mit einem selbst geschieht – gerade auch im Umgang mit Kindern und in der Führung von Teams.

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Joe Pulizzi: Content Inc. und Ines Eschbacher: Das Content Marketing Workbook 

Hier gibt’s ein Doppelpackerl für die Content Marketing-affinen Story Insider, also für Alle. Die Titel der Bücher sprechen ja schon für sich.

Joe Pulizzi ist Begründer des Content Marketing Institute, auf dessen Website sich so viel Nützliches findet, dass man sogar die Geschmacklosigkeit im Design nachsieht. „Content Inc.“ ist ein großartiges Buch über Content Marketing aus einer neuen, unternehmerischen Perspektive betrachtet – Content als Treiber von Business und Entrepreneurship und nicht nur als Kommunikationsmethode. Ein Fachbuch mit viel praktisch anwendbarem Wissen. Einen (beendeten) Podcast gibt’s auch.

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Praxis und Wissen verbindet Ines Eschbacher in ihrem Beruf tagtäglich. Sie betreibt als erfolgreiche Unternehmerin eine Content-orientierte Agentur und gründete den Content Campus, an dem es unter anderem regelmäßig Workshops mit dem berüchtigten Story Dude gibt. Ihr geballtes praktisches Wissen gibt Ines dankenswerterweise im „Workbook Content Marketing” weiter – einem prallen Paket mit sofort anwendbaren Anleitungen, Tools, Checklisten und was sonst noch dazu gehört. Auspacken, machen, Freude haben!

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Simon Sinek: Leaders eat last

Simon Sinek und seine Arbeit rund um das „Warum“, seine Bücher und seine Talks sind zu Recht rund um die Welt populär, und ich wünsche mir, dass vielen seiner Zuhörer und Leser seine Methodik bei der Arbeit und in ihrer Persönlichkeitsentwicklung hilft. Seine Bücher habe ich bereits mehrfach empfohlen. Im Kern ist das „Warum” auch der Kern jeder Story, weil es dabei um einen archaischen Wert geht, den Lebensfunken jeder wirkungsvollen Story.

Simon Sineks ganz spezielles Anliegen ist das Entwickeln von Teams und Führungskultur. Damit befasst sich sein nicht ganz so bekanntes Buch „Leaders eat last“ intensiv. Gute Teams funktionieren dann, wenn Vertrauen herrscht und Anführer nicht mit Angst, Zynismus und Egomanie arbeiten. Und sich beim Essen in der Kantine ganz hinten anstellen …

Jeder von uns ist in der einen oder anderen Art immer wieder in der Rolle einer Anführerin, eines Chefs, einer Teamleaderin. Story ist dafür die perfekte Methode, Simon Sineks Buch handelt mittelbar auch davon.

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Andreas Salcher: Das ganze Leben in einem Tag

Mein Freund Andreas Salcher, mehrfacher Bestseller-Autor, hat wieder einmal ein wunderbares Buch geschrieben. Seine Idee, das ganze Leben in einem Tag zu sehen, eröffnet ungeahnte Möglichkeiten: Alle wichtigen Themen, die normalerweise langsam über Jahre reifen, und Ereignisse, die sich über lange Zeiträume aneinanderreihen, werden mit einem Mal aus neuer Perspektive erlebbar. Plötzlich tauchen neue, wichtige Fragen auf, selbst wenn es bereits so wie bei mir Nachmittag ist, aber der Rückspiegel noch längst nicht als das bevorzugte Fenster für den Blick ins Leben taugt.

Andreas Salcher schreibt über den erkennenden Menschen, der seinen Verstand zu nutzen weiß, den suchenden Menschen, der über seine eigene Existenz hinausdenkt, den verzeihenden Menschen, der mit sich und anderen im Reinen ist, den neugierigen Menschen, der nie aufhört zu lernen, oder über den verletzbaren Menschen, der zu Liebe und Mitgefühl fähig ist. Er schreibt letztlich darüber, wie jeder von uns – immer wieder und aufs Neue – den Sinn seines Seins entdecken kann und gibt Inspiration, Erkenntnis und Verständnis für sich selbst und die Begegnung mit anderen. Ein Buch, das den Leser bewegt und etwas im Leser bewegt und jedenfalls den Fokus auf Empathie schärft, die Mangelware in unseren seltsamen Zeiten des Überflusses.

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Danke, Andreas Salcher, auch für deinen Podcast.


Storytelling hat viele Facetten und Aspekte, wer sich nur aufs lineare Fachbuch- und Workshop-Studium verlässt, greift zu kurz und tappt im Dunklen.

Denn Story ist ein mächtiges, vielfältiges Werkzeug, das die Evolution uns Menschen in die Hand und ins Herz gedrückt hat. Das Schweizermesser unserer Welterklärung, sozusagen.

Jeder von uns ist ein natural born Storyteller. Wer sich mit diesem Thema beschäftigt, erfährt also nicht nur eine Menge über das Handwerkszeug, die Wirkung und die Anwendung im beruflichen Tun, sondern vor allem eine ganze Menge über sich selbst.

Denn das ist die Hauptaufgabe von Storys. Sie helfen uns Antworten auf unser Ur-Frage zu finden: „Wer bin ich?”

Allen, die also sagen: „Storytelling ist nichts für mich.“, seien jene Worte nicht nur im Winter, wenn es schneit, ans Herz gelegt, die meine Großmutter, die alte Story Dudette, dem Grinch hinter seine blöden, grünen Ohren schrieb: „No Story. No Glory.“

P.S.: Die Links zu Amazon sind als Service zum Weiterschnüffeln gedacht und dafür, falls du sofort deinen Kindle füttern willst. Jede stationäre Buchhändlerin freut sich über einen Einkauf und besorgt jedes Buch im Handumdrehen – mitunter wird die Hand halt zwei- oder dreimal umgedreht … Die Belohnung dafür: Bei einem Besuch in der Buchhandlung gibt es immer wieder vieles zu entdecken, und auch ich freue mich über einschlägige Tipps von dir als Story Insider – nicht nur aus der Sach- & Fachbuch-Ecke.

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