Markus Gull

Wie man mit Kondomen die Brand Experience verbessert.

Würden viel mehr Menschen Kondome verwenden wäre die Welt ein besserer Ort. Donald Trumps Vater zum Beispiel – aber dafür ist es jetzt definitiv zu spät … Wie auch immer: Von Verhütung bis Vergnügen werden Kondomen allerlei Vorteile zugeschrieben. Wenn sie allerdings auf einem Einhorn geritten kommen, dann sorgen sie auch noch für Brand Experience der Sonderklasse, vorbildlich auf mehreren Ebenen. Es geht um die Marke Einhorn. In diesem Beitrag gibt’s ein paar Gedanken zum Thema Brand Experience im engeren Sinn, mit den anderen Aspekten, die in der Einhorn-Brand Story beispielhaft zu entdecken sind, gibt’s an anderer Stelle mehr.

Just do it.

Zuerst aber einmal dieses. Wenn ich in Workshops über Brand Experience spreche und über die enorme Kraft und die dringende Notwendigkeit, dass die Brandstory jenseits von Werbung lebendig wird, höre ich fast reflexartig Sätze wie: „Das können wir nicht, wir haben dafür das Budget nicht.” Oder: „Das geht bei uns nicht, wir sind zu klein dafür.” Oder: „Das geht bei unseren Produkten nicht.” Diese drei Einwände wachsen im dichten Geäst des allzu fruchtbaren Ausreden-Baumes und werden von einem Einhorn aus Berlin heruntergeschüttelt. Einhorn ist ein junges kleines Unternehmen, das nachhaltige Kondome herstellt. Das Team erfindet und produziert alle Kommunikations-Maßnahmen im Prinzip selbst. Sie nützen dafür nicht viel Geld, sondern vor allem die vier Hauptzutaten für Heldentaten:

  1. Ideen

  2. Mut

  3. Herzblut

  4. Machen

Dank ihres Einfallsreichtums bekommen sie den verdienten Organic Reach und ordentlich Earned Media, was sie naturgemäß nicht über Spending finanzieren müssen. – Nachmachen ausdrücklich erlaubt und empfohlen!

Die Story wächst aus dem Gründungstraum.

Philip Siefer und Waldemar Zeiler hatten eine besondere Gründungs-Idee: Kautschuk ist einer der meist gebrauchten Rohstoffe auf der Welt, tatsächlich gibt es dafür aber keine solide nachhaltige und faire Produktionsgrundlage. Das wollten sie ändern und gründeten Einhorn, eine Company für nachhaltig produzierte, vegane Kondome. Damit war im Prinzip schon ein substanzieller Teil der Brandstory des Unternehmens etabliert.

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Am besten anders machen.

Angesichts dieses Vorhabens liegt es nahe, dass man sich mit ganzem Herzen in die Bio-, Fair- & Weltrettungs-Welt stürzt. Genau diesen Fehler machten die Einhörner nicht. Denn der erste Zündfunke, der den Kauf von Kondomen auslöst, ist nun einmal das damit erwartete Vergnügen bei der Benutzung des Produktes und das muss inszeniert werden. Dass sich durch dieses Vergnügen auch noch ein Stück der Welt retten lässt? Umso besser!

Frechheit siegt & Herz ist Trumpf.

Die Eigenständigkeit entfaltet sich im gesamten Auftritt der Marke, bei dem viel eigenständige Tugend aus der Selbermacher-Not gewonnen wird. Die Leute nehmen das, was sie machen ernst, sich selbst aber gar nicht und verstehen es dabei, wie sie in jeden einzelnen Auftritt ein kleines Augenzwinkern zaubern können. Schließlich geht es ja um Vergnügen und Vergnügen muss Spaß machen. width=

Durch die konsistente grafische Darstellung entsteht ein unverwechselbar eigenständiges Bild an allen Touchpoints. Das beginnt bereits mit der Kartoffelchips-Packung nachempfundenen Verpackung und führt zum Saurier-Kopf als POS-Aufsteller. Es gibt Sparpakete, einen Jahresvorrat oder einen Partysack, saisonale Editionen und jede Menge Merchandise.

Die Sprache ist frech, durchaus an der Grenze zur Zote, aber niemals peinlich. Neue Wörter wie „unicornique” und „Fairstainability” gibt’s auch mitgeliefert. Jeder einzelne Textbaustein – im Werbe- und Verkaufsauftritt genauso wie bei den Packungen – ist mit jeder Menge Hingabe und gekonnter Aufmerksamkeit erstellt.

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In Verbindung mit der schrulligen Grafik entsteht so eine unicornique Storyworld abseits des Erwarteten und Bekannten. Weder vordergründige Erotik noch anzüglicher Witz jenseits der Gürtellinie kommen vor und schon gar keine belehrende Besserwisserei in Sachen Verhütung und nachhaltiger Produktion. Ein schmaler Grad, weltmeisterlich beschritten.

Es stimmt eben nicht, dass der Teufel im Detail sitzt. In den Details wohnen die Götter.

Ich habe Philip Siefer kürzlich in Wien getroffen. In unserem Taxi war zufällig ein Kameramann dabei und hat uns beim Plaudern beobachtet. – Leider musste der Tontechniker aus Platzgründen im Kofferraum mitfahren, aber irgendwie hat er es dennoch geschafft, dass man uns nicht nur sehen, sondern auch hören kann.

 

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Übrigens: auch das Einhorn Magazin wurde inhouse produziert, und zwar in nur drei Wochen und mittels Partnerbeiträgen finanziert.

Hero Branding® bedeutet: Storysharing statt Storytelling.

Am Einhorn-Beispiel wird die magnetische Magie echter Hero Brands lebendig. Eine Hero Brand ist niemals selbst der Held, sondern macht ihr Publikum zum Helden. Sie redet ihrem Publikum nicht irgendetwas ein und pusht sich dadurch ins Leben der Kunden, betreibt also nicht Storytelling. Eine echte Hero Brand macht etwas viel Besseres. Sie verbindet die eigene Story, also ihre Wertewelt, mit der Wertewelt ihrer Kunden. Sie versteht sich also auf die Kunst des Storysharing und entfaltet dadurch magnetisches Pull. Sie zieht Kunden an.

Jeder Kunde, der eine Hero Brand benutzt, erzählt also die Geschichte der Marke deshalb weiter, weil er damit über sich selbst, seine eigene Geschichte erzählen kann. Und die eigene Geschichte ist nun einmal die einzige, die die Menschen interessiert. Einhorn-Kunden erzählen kurz gesagt: „Ich bin unicornique!” von Kopf bis Fuß, und dazwischen auch. – Und wer möchte das nicht sein?

Jeder, der Marketingkommunikation betreibt, kann von den Einhörnern schon beim ersten Hinsehen die zentrale Erkenntnis für die eigene Arbeit gewinnen: Brandstory braucht Relevanz und Eigenständigkeit – am besten aber: Brandstory bedeutet Eigenständigkeit durch Relevanz.

Deshalb gilt, auch wenn Storytelling mittlerweile als nerviges Buzzword durch jedes Dorf getrieben wird, für alle Unternehmen, Marken und Organisationen, egal ob sie neu sind oder etabliert, gleich ob sie mit jungen oder alten Menschen ins Gespräch kommen wollen: „No Story. No Glory.”

 

Bildhinweise:  einhorn.my

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