Markus Gull

So sieht der Todesengel der Werbung aus.

Wollte man sich vor einigen Jahren beim gemütlichen Fernsehabend vorm Werbeblock in Sicherheit bringen, hatte man im Prinzip nur eine Möglichkeit: auf die Toilette verschwinden. Die Erfindung der Fernbedienung erleichterte vielen von uns das Leben und senkte gleichzeitig den Wasserverbrauch. Heute sehen wir immer häufiger auf unseren digitalen Geräten fern, in welchem Kanal auch immer, und haben eine Notwehr-App namens AdBlock oder so ähnlich installiert.

Alle hassen Werbung.

Wann immer ich einen Workshop mache oder eine Keynote halte, frage ich ins Publikum: „Wer von Euch findet die Pre-Roll-Werbespots vor dem Video, das man sehen will, gut?” Die Antwort ausnahmslos: niemand.

Das meist-geklickte Ding auf YouTube ist folglich weder ein Katzenvideo noch eines über ein spektakuläres Sportereignis oder über jemanden, der besonders blöd oder schön oder beides ist, oder einfach nur Kardashian heißt, sondern Werbung überspringen.

Werbung

In den allermeisten Fällen, in denen ich mit diesen Werbevideos ge-targeted werde, präsentiert man mir für mich absolut irrelevante Produkte, und das, obwohl auf meinen Geräten wahrscheinlich mehr Cookies platziert sind als im Zentrallager von Oreo. Kürzlich wurde mir auf Facebook erstmals Unterbrecherwerbung in ein Video gepusht. Es war für ein Produkt, das ich nicht kannte, jedenfalls für den asiatischen Markt gemacht.

Warum schickt mir Amazon, nachdem ich ein Produkt gekauft habe, regelmäßig Werbung für genau dieses Produkt durch? Zugegeben: Wer Kleiderbügel kauft, interessiert sich definitiv für Kleiderbügel, sagt aber auch gleichzeitig: „Ich hätte jetzt mal genug Kleiderbügel, für die nächsten paar Tage wenigstens.”

Warum hassen alle Werbung so sehr, dass viele sogar Geld dafür ausgeben, damit sie keine mehr sehen müssen?

Alle lieben Werbung.

In den USA ist für diejenigen, die Werbung produzieren, jedes Jahr zweimal Weihnachten. Einmal, wenn Santa Claus, und wenn die Super Bowl vor der Tür steht. Dann werden mit viel Herzblut und Mühe und häufig auch mit viel Geld Werbespots produziert. Geschichten, die die Menschen berühren, über die sie sprechen, die sie miteinander teilen.

Warum lieben alle plötzlich Werbung so sehr, dass sie sich die Spots sogar gegenseitig zuschicken? Ich vermute, es gibt drei Hinweise auf die Antwort:

  1. Geschichten, die die Menschen berühren.

  2. Herzblut

  3. Mühe

Und ich bin fest davon überzeugt, wie auch viele Beispiele belegen, dass die großen Budgets mit dem Erfolg weniger zu tun haben als es diejenigen behaupten, die das Geld verbrauchen.

Bemerkenswert ist für mich immer wieder, dass diese Werbespots zwar meistens emotional ganz weit oben stehen, aber gleichzeitig oft so weit weg von der Brandstory, dass nicht einmal der Claim der Marke eingeblendet werden kann. – Andererseits, jeder kann mit seinem Werbegeld machen was er will, auch wenn’s nur einmal im Jahr weihnachtet.

Der Todesengel der Werbung wird erwachsen.

Die Mitglieder der so genannten Generation Z, jene Gruppe, auf die sich alle in der nahen Zukunft konzentrieren, die etwas verkaufen wollen, sind die Todesengel der Werbung wie wir sie kennen. Und einige von ihnen sind bereits erwachsen, also je nach Berechnungsmodus sogar schon über 20 Jahre alt.

Was müssen Markenartikler über die Generation Z wissen, wenn sie ihr etwas verkaufen wollen? Vor allem einmal das: Sie hassen Marken, die ihnen etwas verkaufen wollen. Sie sind dabei schneller, smarter und gnadenloser als es jedes Unternehmen sein kann und auch schneller, smarter und gnadenloser als es die schnellsten, smartesten und gnadenlosesten Unternehmen befürchten.

Werbung

Gleichzeitig zeigen Untersuchungen, dass gerade diese Generation Marken liebt, die einen so genannten Purpose haben, also im Leben ihres Publikum einen relevanten Nutzen erzeugen, der über den Produktnutzen hinaus geht. Das können so genannten Good Causes  sein, müssen aber nicht.

Die Jugend von heute ist genau so schrecklich wie ihre Großeltern.

Das Jammern über die sinkende Aufmerksamkeits-Spanne der Jugend von heute geht am Thema vorbei – wie Jammern prinzipiell an jedem Thema vorbei geht. Was tatsächlich gesunken ist, ist die Interessens-Spanne und die Toleranz, sich mit irrelevantem Scheiß zumüllen zu lassen. Darin sind sich die Generation Z-Kids übrigens mit ihren Eltern und Großeltern restlos einig. Genau genommen hassen die Menschen Werbung nämlich nicht wirklich. Sie wollen nur nicht belästigt werden.

Wie man diese Interessens-Spanne ausdehnen kann? Ich kenne drei eindeutige Hinweise auf die Antwort:

  1. Geschichten, die die Menschen berühren.

  2. Herzblut

  3. Mühe

Dahinter stehen drei einfache fundamentale Wahrheiten:

  1. Die Story kann niemals von der Marke und muss immer vom Publikum handeln.

  2. Die Marke ist nicht der Held, die Marke muss ihren Benutzer zum Helden machen.

  3. Damit eine Marke Quality Time mit ihrem Publikum bekommt, muss sie relevant sein. Das bedeutet … (siehe 1).

Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der mit „Relevante Werte” beschrifteten Kassette. Denn sobald und nur dann, wenn eine Brandstory durch Werte beseelt ist, die eine Sehnsucht beim Publikum berühren, entsteht eine Storyworld in der sich Marke und Publikum begegnen und interagieren und kostbare Time with Brand miteinander verbringen. Und dann ist ein wirklich starkes Band geflochten.

Für alle, die sagen: „Bei meiner Marke geht das nicht!” habe ich eine passende Antwort: „Do what you can’t”, bevor ihr Konkurrent sagt: „Watch me …” 

Und auch wenn Storytelling mittlerweile als nerviges Buzzword durch jedes Dorf getrieben wird, gilt für alle Unternehmen, Marken und Organisationen, egal ob sie mit jungen oder alten Menschen ins Gespräch kommen wollen: „No Story. No Glory.”

Bildhinweise: Titelbild > Superman von  Ben Grey Lizenz

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