Markus Gull

Fehlt Deinem Plan A das A?

Wer hat denn heutzutage bitte keinen Plan A? Jeder hat einen! Viele haben sogar noch einen Plan B, obwohl der Plan B in der Schublade ein häufiger Grund dafür ist, dass Plan A nicht funktioniert.

Wenn es um einen Plan A für die Brandstory geht, ist der allerhäufigste Grund fürs Scheitern: es fehlt das A.

Ja, möglicherweise kommt mein heutiger Ruf für Dich etwas gebetsmühlenartig daher, aber andererseits kann man es offenbar nicht oft genug sagen: Deine Brandstory braucht A!

Das gilt für jede Brandstory, aber ganz ausdrücklich und besonders für eine, die mit dir selbst als Person oder mit einem anderen echten Menschen verbunden ist.

Der Plan A dafür heißt: Beschütze das A! Denn ohne A funktioniert es nicht. Ein Plan A ohne A ist ein Plan DOA – Dead on Arrival. A wie Authentizität.

Und dabei hatte alles so gut begonnen.

Es war im Mai 2016, Österreich bekam mit Christian Kern einen neuen Bundeskanzler und das Land schien aufzuatmen. „Ist er etwa endlich jener Politiker, den wir uns seit ewig erhoffen?”, fragten sich viele Menschen quer durch alle politischen Lager.

Das war ein superguter Anfang. Ein drahtiger Mann mit 50, der zwei an einem österreichischen Regierungschef selten beobachtete Fähigkeiten hatte.

  1. Er schaffte es, sich einen Anzug in der richtigen, nämlich in seiner Größe zu kaufen.
  2. Er sprach auf einem Niveau frei, das man sich von einem erwachsenen Menschen erwarten darf.

Politsprech? Nein, danke. Er benutzte geschmeidige Formulierungen wie „Wir sind gut beraten, wenn …” und legte seinen salzbestreuten rhetorischen Finger heilsam in die klaffende Politik-Wunde: „Wenn wir dieses Schauspiel weiter liefern, ein Schauspiel der Machtversessenheit und der Zukunftsvergessenheit, dann haben wir nur noch wenige Monate bis zum endgültigen Aufprall.” Ahhhhhhufatmen im Lande!

Auf die Frage nach dem Gerücht, er hätte die Ablöse seines Vorgängers zur Unzeit von langer Hand meisterhaft strategisch vorbereitet, meinte er: „Ehrlich gesagt, das ist ein bissl House of Cards für Arme.” Etwas populärkultureller Sarkasmus für Netflix-Seher als Extrabonus.

Christian Kern, ein Sozialist und Manager. Zwar nur in staatlichen oder staatsnahen Betrieben, aber immerhin aus der Wirtschaft und wenigstens kein Hardcore-Funktionär mit drei Kugelschreibern und einer bunten Lesebrille in der Brusttasche. Ein knackiger Typ mit entspannt-zielstrebiger Souveränität, dessen braune Augen so eisblau strahlten, dass das Volk instinktiv wusste: Er bringt uns sicher nachhause. Und wenn er übers Wasser gehen muss.

Kurz gesagt: Christian Kern machte alles richtig. Und also stand da sozusagen Emmanuel Macron vor uns, noch bevor Emmanuel Macron vor uns stand.

Plötzlich wehte ein Hauch von Charisma durch Österreichs karstige innenpolitische Landschaft und hob sowohl den neuen Bundeskanzler als auch seine Partei in den Umfragewerten nach oben.

Identity braucht Identität.

Christian Kern nützte die unwiederbringliche Chance des ersten Eindrucks und skizzierte mit seinem Auftritt seine Personal Brandstory perfekt.

  1. Die Gegner sind klar identifiziert.
  2. Es gibt keine halbweiche Veränderung, sondern etwas viel Besseres, nämlich die Chance auf etwas Neues.
  3. Inhalt, Look & Feel, Stil – alles aus einem Guss.

Das nennt man Brand Identity!

Besser geht’s nicht.

Große Eins mit Stern und zusätzlich ein Schlumpf ins Heft gestempelt.

Jeder, der jemals eine Brand Identity entwickelte, weiß, wie schwierig das ist, zumal Brand Identity für Menschen. Die muss nämlich wirklich entwickelt sein, muss von Innen kommen und darf keinesfalls draufgesetzt werden – Stichwort: Identity. Denn nur so entsteht Glaubwürdigkeit. Die Menschen wittern Fake, mindestens zehn Kilometer gegen den Wind.

Experience ist erlebte Glaubwürdigkeit.

Wenn du Glaubwürdigkeit hast, kannst du deine Marke in jeder Sekunde erlebbar machen. Genau genommen: sie wird sowieso erlebbar, ob du es machst oder nicht. Also mach’s.

Brand Experience ist Wahrheit, und Wahrheit findet statt. Ob du es willst oder nicht. Ob du glaubwürdig bist oder nicht.

Für jeden Anführerin, jeden Teamleiter, jede Managerin und für jeden Politiker, der sich als aktiver Gestalter des Wandels positioniert (als was eigentlich sonst?) bedeutet das: Denk an Robert Kennedy. Sieh die Welt wie sie sein könnte und frage: „Warum nicht?”

 

authentizät
Das ultimative Leitmotiv für – nicht nur politische – Führungskräfte kommt von Robert Kennedy (bzw. G.B. Shaw): „You see things; and you say ‚Why?‘ But I dream things that never were; and I say ‚Why not?’”

 

Entwirf die Story der Zukunft und teile sie mit deinen Leuten. Nimm dir unbedingt eines zu Herzen: „Menschen brennen nicht für Kompromisse, sie brennen für Grundsätze und Haltungen.” (© Christian Kern)

Kenne den Weg, zeige den Weg, gehe den Weg. Oder wie die Amerikaner sagen: „Walk the talk!” So – und nur so – erleben die Menschen die Glaubwürdigkeit deiner Brandstory.

Wer Plan A sagt, muss auch …

Die Welt dreht sich weiter, der Alltag wetzt jedes Superhelden-Outfit naturgemäß ein wenig an Knien und Ellenbogen ab, dazu Ehekrisen-artige Streitereien mit dem Koalitionspartner rund um die Uhr …

Im Jänner 2017 steht dann „Tag der Wahrheit” im Kalender und Christian Kern im Mittelpunkt einer professionell inszenierten Veranstaltung. Er stellt dort die berechtigte Frage „Worauf warten? Zeit, die Dinge neu zu ordnen.” und präsentiert seinen „Plan A für Österreich.”

Gleichzeitig präsentiert er dem Regierungspartner ein Ultimatum zur Umsetzung einer Reihe von Vorhaben, zeigt also wieder Zug zum Tor, wie es sich für einen Top-Manager gehört.

Aber irgendwie ist der Wurm drin. Die Verhandlungen über die Umsetzung führt offenbar nicht mehr der Regierungschef mit dem Koalitionspartner, sondern der Koalitionspartner unter Teilnahme des Regierungschefs. Die Lage verdreht sich so, dass am Ende der Chef dem Juniorpartner zustimmt. Was war noch mal der Plan?

Das mag dem Land faktisch nützen, für die Manager-Brandstory des Christian Kern entpuppt sich das als Herpesinfektion. Die bekommt er nicht mehr los.

Immer mehr Menschen fragen folglich unüberhörbar, ob denn das vor einem Jahr klar gezeichnete Bild vom souveränen Anführer neuen Stils am Weg in eine besser Zukunft unter Umständen doch eher ein Wunschbild war. Diese Fragen tauchen zunehmend in seiner eigenen Organisation auf.

Passt vielleicht die Marke des neuen Anführers mit der Identität und der Kultur seiner Organisation prinzipiell nicht zusammen, und man hat sich vom Zauber des Anfangs verführen lassen?

Hat Peter Drucker am Ende doch recht, mit dem Satz: „Culture eats strategy for breakfast”? – Ja, er hat recht.

Wer Plan A sagt muss auch -uthentizität sagen, sonst sagt man automatisch -rsch. Und dann wird’s eng.

Es wird eng.

Nach vielen Hins und Hers steht schließlich Wahlkampf auf der Agenda, denn die ÖVP hat mit Sebastian Kurz plötzlich selbst einen politischen Hero am Start.

Die schlechte Nachricht für den Regierungschef und seine Truppe überbringt der vielstimmige Marktforscher-Chor einstimmig, und zwar sinngemäß so: „Liebe Leute, die verdreschen euch nach Strich und Faden!”

Was tun?

Angst, Panik & Partner sind schlechte Berater, doch in Lagen wie diesen häufig diejenigen, die das Beratungsmandat bekommen weil sie die einzigen sind, die es wollen, jedenfalls am lautesten schreien und das Kommando an sich reißen. Das Ergebnis ihrer Arbeit zeigt sich schnell und ist ausnahmslos dasselbe: Chaos & Wahnsinn.

Man hört oft, die Geschichte würde sich wiederholen. Das mag sein. Gesichert ist, dass Menschen immer wieder dieselben Fehler machen. Im besten Fall machen nicht dieselben Menschen, sondern andere dieselben Fehler.

Ich weiß, wovon ich rede. Vor knapp zehn Jahren war ich an anderer Stelle in nahezu derselben Situation, und es dreht mir bei der Erinnerung daran noch heute den Magen um.

Alles anders.

Die Rückbesinnung auf alte Werte ist meistens ein guter Ansatz, denn wie alles auf Erden kann auch jede Marke nur aus ihren Wurzeln gesund wachsen.

Deshalb wurde ein neuer Film produziert, der den Aufstieg von Christian Kern als Kind aus einfachsten Verhältnissen zeigt.

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Dieser Film hat einen enormen Vorteil: Die Story stimmt. Sie ist emotional. Sie passt zur Organisation. Und wäre vermutlich von Anfang an die beste Story gewesen, weil sie in jede Richtung authentisch ist.

Es gibt Menschen, die vorgegebene Texte so in eine Kamera sprechen können, dass der Zuseher zweifellos davon überzeugt ist, das wäre echt. Diese Menschen sind Schauspieler.

Es gibt ganz, ganz, ganz wenige Nicht-Schauspieler, die das auch können. Christian Kern ist keiner von ihnen. Man hat das Gefühl, er spielt eine Rolle, obwohl er über nichts Anderes spricht als über sein eigenes Leben.

Nachdem sich die Welt, vor allem online, immer mehr in Richtung Bewegtbild verwandelt, ist jeder von uns bald in der Situation, vor einer Kamera zu stehen und sei’s eine Smartphone-Kamera.

Wenn du das machst oder mit jemandem einen Echtmenschen-Film produzieren willst, dann gibt es dafür grundsätzlich einen Plan A als Erfolgsrezept. Lass die Menschen in ihren eigenen Worten reden, ihre eigene Sprache sprechen und beobachte sie mit der Kamera dokumentarisch dabei. So wird’s authentisch, so funktioniert’s. – Denn: Welchen Sinn könnte es haben, mit echten Menschen zu arbeiten, wenn sie dann erst wieder künstlich rüberkommen?

Es kommt noch schlimmer.

Es gibt in der SPÖ + Beratungsteam offenbar ausreichend viele Menschen, die diesen Film nicht gesehen haben und davon überzeugt sind, Christian Kern wäre ein guter Schauspieler, so dass ein weiterer Schauspielerei-Film produziert wurde. Und der die Kanzler-Kern-Brandstory vom Mai 2016 gleichzeitig implodieren und explodieren lässt.

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  1. Wieso lässt man den Bundeskanzler einen Bundeskanzler spielen und nicht sich selbst sein?
  2. Wieso lässt man zwei gute Minister zwei Minister schlecht spielen und nicht sie selbst sein?
  3. Wieso wählt man als Setting eine Welt, die alles was an Politik negativ ist, als eines der Generalthemen hat?
  4. Wieso assoziiert man Christian Kern mit Francis J. Underwood, die Inkarnation des – wir erinnern uns – „… Schauspiels der Machtversessenheit und der Zukunftsvergessenheit …“? Der Typ hat unter anderem eine Journalistin vor die U-Bahn gestossen und auf das Grab seines Vaters gepisst, nur so nebenbei …
  5. Wieso sieht in diesem Film Christian Kern angesichts der ihm eben präsentierten positiven Aussichten so aus, als hätte sich nicht nur seine Personal Brand Herpes eingefangen, sondern er selbst auch, und zwar an einer Stelle, die ihm das Sitzen nicht nur in dieser Runde unerträglich macht?
  6. Wer denkt, dass jene Menschen, die smart genug wären, das gut zu finden, nicht smart genug wären, das unfassbar dämlich zu finden?
  7. Was ist mit – wir erinnern uns – „… dann haben wir nur noch wenige Monate bis zum endgültigen Aufprall …”?

Willkommen zuhause.

Wenn wir keine Markenbotschaft, keine echte Brandstory haben, dann bleibt uns nur noch ein einziges Gesprächsthema über. Dann reden wir über den Preis. In der Politik heisst das, wenn „… Menschen nicht für Grundsätze und Haltungen brennen … ” (© Christian Kern), dann verteilen wir eben Geld.

Somit wird am Ende des Films das neue Mission-Statement: „Holen Sie sich, was Ihnen zusteht.” abgefeuert und Kern steht plötzlich als klassenkämpferischer Populist links außen am Spielfeld. Der endgültige Fangschuss für die im Mai 2016 perfekt präsentierte Manager-Marke Christian Kern.

Die SPÖ hat sich bereits vor langer Zeit das Keyword Gerechtigkeit an die Fahnen geheftet. Das ist ein unheimlich starker Treibstoff für den Brandstory-Motor. Wer von uns fühlt sich nicht ständig auf unterschiedlichsten Ebenen des Lebens ungerecht behandelt? Von Staat und Steuern und von der anonymen Macht der Institutionen sowieso … Empathie pur!

„Holen Sie sich, was Ihnen zusteht.” hat aber nichts mit Gerechtigkeit zu tun, sondern aktiviert sehr subtil und darum wirkungsvoll den hässlichen Stiefbruder der Gerechtigkeit, den Neid. „So lang jemand mehr hat als ich, steht mir noch was zu, und das gehört dem anderen zumindest einmal weggenommen, denn der hat es sicher nicht zu Recht.” Damit versündigt sich die SPÖ an der eigenen Identität sowohl inhaltlich als auch an ihrer Rolle als Bollwerk gegen populistische Auswüchse.

Die SPÖ desavouiert nicht nur ihre eigene Brandstory gleich zwei Mal, sondern verdreht auch noch offensiv die Marke des Bundeskanzlers ins Gegenteil. Wir erinnern uns: „Ehrlich gesagt, das ist ein bissl House of Cards für Arme.” Willkommen zuhause.

Es ist bitte längst nicht gesagt, dass diese Strategie erfolglos bleibt. In der Politik haben schon ganz andere haarsträubende Dinge Applaus geerntet, und in einem Wahlkampf kann sogar über Nacht viel passieren – siehe Donald Trump. Falling Stars und Comeback-Storys gibt’s genug – siehe aktuell Martin Schulz und Angela Merkel.

Die Marke Christian Kern ist jedenfalls massiv beschädigt und wird, falls sie überhaupt in der ursprünglich platzierten Form zu retten ist, einen massiven Relaunch brauchen, tatsächlich eine Neupositionierung von Grund auf, wo immer er nach der Wahl landet. Und er wäre gut beraten, das mit einem Plan A zu tun, A wie Authentizität.

Eigensinn macht Spaß.

Authentizität ist für deine Marke lebenswichtig. Das war schon immer so und wird in Zukunft sicher noch wichtiger werden, weil nicht zuletzt seit unserem Einzug ins Global Village ob es uns passt oder nicht Brand Experience, Transparenz, Nachprüfbarkeit, Individualisierung und das Gespräch aller Menschen über uns permanent stattfinden.

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Hermann Hesse, der alte Brandstory-Hippster, hat es aufgeschrieben: „‚Sei Du Selbst’ ist das ideale Gesetz …”

 

Also halten wir uns am besten nicht an irgendwelche Naseweisheiten auf Power Point, sondern an Hermann Hesse, der in Eigensinn macht Spaß schreibt: „Es gibt für jeden keinen anderen Weg der Entfaltung und Erfüllung als den der möglichst vollkommenen Darstellung des eigenen Wesens. ‚Sei Du Selbst’ ist das ideale Gesetz, zumindest für den jungen Menschen, es gibt keinen anderen Weg zur Wahrheit und zur Entwicklung.“

Wenn du also nicht primitiv nur über den Preis reden, sondern respektvoll mit deinem Publikum ins Gespräch kommen willst, dann involviere die Menschen mit einer für euch beiden relevanten authentischen Story. Denn, wie sagte schon meine Großmutter, die alte Story Dudette: No Story. No Glory.

 

 

Bildhinweise
Titelbild: Flickr > MarylandGovPics, Lizenz, Originalbild bearbeitet, hinzugefügt: Screenshot Christian Kern aus Video https://youtu.be/vNkmIp0Fxfk
Robert Kenedy: lizenzfrei
Hermann Hesse: Dutch National Archives, The Hague, Fotocollectie Algemeen Nederlands Persbureau (ANEFO), 1945-1989, Lizenz

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