Markus Gull

Warum wirkungsvolle Marken-Storys am besten vom echten Leben handeln.

AUFBLENDE: Es ist ein sonniger Morgen in unserer schönen kleinen Stadt, und es duftet nach Frühling und Sonntag. Die Haustüre öffnet sich, endlich: Papa ist von seiner Geschäftsreise zurück! Benny und seine Mama begrüssen den Heimkehrer wie einen … ja: Heimkehrer, zerdrücken ihn fast in ihrem Ansturm liebevoller Freude. Sogar Laura kommt runter, zwar noch ein bisschen pubertätsschmollig verschlafen, aber immerhin, jetzt ist nämlich alles wieder ganz, alles wieder gut! Ronja, die räuberische Hauskatze, schnuppert an Papas Tasche, denn auch für sie hat er etwas mitgebracht. Er denkt einfach an alle und an alles. Papa eben …

Er sieht alles mit seinem wachen, blitzenden Augen, aber er sieht vor allem mit seinem Herzen besonders gut – Papa, der große kleine Prinz – und er bemerkt natürlich sofort, was sich in der Zwischenzeit hier an Schönem ereignete.

CLOSE UP: Wir sehen – zutreffendes bitte ankreuzen:

  1. Sachen werden grün, die lieber nicht grün werden sollten, Papas Gesicht zum Beispiel, weil er ihn eben auch plötzlich spürt, diesen Leiner-Moment (und nicht erlebt, wie wir anderen das bei den gewöhnlichen Momenten gewöhnlich tun).
  2. Einrichtungsgegenstände, die sich normalerweise nicht bewegen, bewegen sich, weil Hausgeist Mia vorher bei Mömax und danach hier war, und nach einer Schrecksekunde alles gleich besser aussieht.
  3. Dem Küchenkasten entsteigt David Alaba und weist alle frohen Anwesenden darauf hin, dass zwar nur er ein Kicker sei, aber alle gemeinsam dann doch kika wären, wenn sie denn nur wollten, und das ist doch einmal eine wirklich gute Nachricht zur Abwechslung.

Geht’s noch?

Genau das ist Werbung und genau das geht den Menschen so wahnsinnig auf die Nerven, dass immer mehr Geld dafür ausgeben, um keiner mehr begegnen zu müssen. Zugegeben: der erste Teil des Werbespots ist erfunden, tatsächlich nur gefunden, existiert er doch in uns allen. Es ist die Sehnsucht von uns Menschen nach einer heilen Welt, die sich in den Hinterköpfen derer, die Marketingkommunikation verantworten derart breit macht, dass sie den Blick auf die Wirklichkeit verstellt.

Es ist ein großes Missverständnis, dass erfolgreiche Markenstorys schön und gut sein, alle Mitwirkenden sympathisch rüberkommen müssen und es am Ende doch zumindest ein wenig lustig zugehen soll. Das ist eine Möglichkeit, aber alles andere als eine Voraussetzung für wirkungsvolles Storytelling. Story braucht vor allem eines: Wahrheit. Wahrheit ist nämlich die große, unwiderstehliche Stärke von Story. Story ist das Abbild unseres echten Lebens, unserer Werte, unserer tiefen Sehnsucht. Story braucht zudem Empathie, denn Empathie ist echt und wurzelt im Inneren der Menschen, Sympathie verfliegt. Wenn beides zusammenkommt, ist’s auch nicht verkehrt …

Marken, die ernsthaft und respektvoll dorthin gehen wo’s weh tut, also dorthin, wo das echte Leben wohnt und die Menschen wirklich etwas brauchen, sind an der richtigen Stelle für erfolgreiche Brandstorys angelangt. Dann verbinden sich ihre Werte und Sehnsüchte mit denen ihres Publikums. Dann wird Werbung zum Gespräch und Storytelling zum Storysharing, miteinander geteilte Werte. Wir sind ein-verstanden.

Die aktuelle Kampagne von IKEA in Schweden „Where life happens” zielt darauf ab. Der Spot „Every other week” schraubt sich emotional perfekt in die Lebenswelt allzu vieler (Ex-)Familien ein und dramatisiert dabei die Produkte auch noch dramaturgisch gekonnt. Die Marke ist ein besonders aktiver Mentor auf der Heldenreise des Vaters. Die Einblendung der Produktnamen und Preise reduziert dann leider das Momentum.

 

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In der Geschichte „A good listener” passiert Ähnliches, die Marke als Mentor agiert etwas mittelbarer als bei der vorigen Geschichte, dennoch auf dem Teppich dicht gewobener Wahrheit.

 

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Damit gute Werbestorys nicht doofe Werbung bleiben täte IKEA gut daran, „Where life happens” ins reale Leben zu verlängern, vielleicht mit pfiffigen Initiativen für alleinerziehenden Eltern unter ihren Mitarbeitern, in den Märkten, am Website, draussen in der Welt. Denn dann wird eine kraftvolle Brandstory nicht nur wahr, sondern erlebbare Wirklichkeit. Dann entsteht die so genannte Immersive Brand Experience, also die Möglichkeit, die Markenwerte wirklich umfassend zu erleben. Und dann bekommt die Marke das kostbarste, was sie von ihrem Publikum bekommen kann: Zeit. Time with Brand.

Gilt das für alle Unternehmen und Marken? Nein, aber für die erfolgreichen. Wahrheit in der Brandstory ist keine Frage des Unternehmensgröße, sondern einen Notwendigkeit für erfolgreiche Kommunikation. Egal ob Weltkonzern, KMU oder EPU – jeder Mensch, jede Marke, jedes Unternehmen hat ein Image, irgendeine Story, steht für etwas, und sei es für nichts.

Bildhinweis: Shutterstock | Chepko Danil Vitalevich

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