Markus Gull

Brandstory: Wahrheit ist nur ein Wort.

Das Match des amtierenden US-Präsidenten gegen die Medien befindet sich vermutlich erst in der Aufwärmrunde und hat mit der Spezialdisziplin Trump vs Times bereits jetzt einiges zu bieten. Jedenfalls, so liest man, steigt die Zahl der Abonnenten der New York Times in Print wie Online markant, seit Trump der Menschheit täglich mehrmals klar macht, weshalb freie Medien für eine Demokratie unerlässlich sind. Dennoch hat sich das New Yorker Traditionsblatt entschieden, selbst auch noch Werbung zu machen. Erstmals seit 2010 sogar im Fernsehen und erstmals überhaupt während der Oscar®-Verleihung.

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Die Kampagne stößt damit auch auf durchaus kritische Reaktionen, die von „schwer verständlich” bis zu „predigt zu den ohnedies Gläubigen” reichen. Wie gut die Umsetzung gelungen ist, sei dahingestellt. Der wirklich wertvolle und vorbildliche (= bitte unbedingt nacheifern!) Aspekt dieser Kampagne ist, dass die Times damit einen ganz klaren Wert für sich besetzt: Truth – Wahrheit. Ein archaischer Wert, den jeder als positiv empfindet und mit sich selbst verbindet. Sogar der größte Lügner.

In der aktuellen politischen bzw. Markt-Situation ist das die goldrichtige Strategie. Umfangen von postfaktischen Filterblasen und den Lügen von politischen Entscheidungsträgern ausgesetzt brauchen die Menschen nämlich vor allem Wahrheit und jedenfalls die Möglichkeit, Wahrheit(en) zu erkennen. Seriöse, freie Medien also. “The truth is … hard … hard to find … hard to know … more important now than ever.”

Und damit ist auch der Gegner identifiziert: das Postfaktum, leidenschaftlich repräsentiert von Trump, Bannon, Spicer, Conway & Co. In diesem Irrlicht betrachtet gelingt es sogar George W. Bush, sich als Good Guy neu zu erfinden, wie seine jüngsten Auftritte und die Reaktionen darauf zeigen. Auch ein Fall für eine Extra-Portion Wahrheit.

Trump Tweets about truth and alternative facts
Wer noch zweifelte, wer mit der Truth-Kampagne gemeint sein könnte, wurde von Trump per Twitter informiert.

 

Die Marke NYT hat also einen klaren Gegner definiert und einen eindeutigen Grundwert für sich beansprucht. Noch dazu einen, der für die gesamte Nachrichtenbranche gilt. Dieser Grundwert ist in Gefahr und muss nun durch die Marke verteidigt werden. – Mehr braucht eine Story nicht zum magnetischen Erfolg.

Truth lässt sich noch dazu besonders geschmeidig in alle Themen und Aufgaben deklinieren, die ein Medium in der Kommunikation erfüllen muss. Das zeigt bereits der TV-Spot, der speziell für die Oscar®-Verleihung mit den Zeilen: „The truth is celebrities should keep their mouths shut. The truth is everyone has the right to speak their mind.” versehen wurde. Ein mächtiger Story-Motor!

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Ein starker Brandstory-Motor brummt kraftvoll in allen Themen und Aufgaben.

 

Die New York Times hat etwas gemacht, was jede Marke – auch Sie für Ihre – tunlichst anstreben sollte: Die NYT hat verstanden, in welchem Business sie wirklich ist. Nicht im Zeitungs-, Medien- oder Nachrichten-Business, sondern im Truth-Business. Es geht den Menschen nicht um Produkte, es geht bei Brandstory nicht um Produkte – es geht immer um Werte, die eine Marke mit ihrem Publikum teilt. Die NYT erzählt mit der Truth-Kampagne nicht ihre eigene Story, sondern gibt dem Publikums eine Story, die sich die Menschen selbst und einander erzählen: Wahrheit. Das ist nicht mehr banales Storytelling, sondern exzellentes Storysharing.

Machen Sie das auch, und zwar so einfach wie möglich. Denn schon Albert Einstein wußte: „Jeder intelligente Narr kann Sachen grösser, komplexer und gefährlicher machen. Es braucht etwas Genialität und viel Mut, um die Gegenrichtung einzuschlagen.”

Bildhinweise:
Out of Home Ad From The New York Times‘ ‚The Truth Is‘ Campaign ©NewYork Times
Screenshot: Twitter
Print Ad: ©NewYork Times

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